Wie der Geflügelzüchter einen Beitrag zum Artenschutz leistet.

Einer der seltenen Kakapos. (https://de.wikipedia.org/wiki/Kakapo#/media/File:Strigops_habroptilus_1.jpg)
Einer der seltenen Kakapos. (https://de.wikipedia.org/wiki/Kakapo#/media/File:Strigops_habroptilus_1.jpg)

Das Beispiel der Wandertaube zeigt, dass selbst Arten mit enormer Individuenzahl, von der man annahm, sie würde auch durch extreme Jagd nicht in ihrer Zahl zu verringern sein, nicht automatisch vor dem Aussterben geschützt sind. Ein extremes Gegenspiel zu der Wandertaube ist der Kakapo. Diese auf Neuseeland lebende Papageienart wurde nach der Besiedlung Neuseelands und vor allem durch die Einfuhr von Räubern, die es zuvor auf Neuseeland nicht gab (z.B. Ratten, Frettchen oder Katzen) in ihrem Bestand erheblich dezimiert. 1970 wusste man nicht einmal, ob es überhaupt noch Kakapos gibt oder ob sie bereits ausgestorben wären. Nachdem man in den folgenden Jahren einige Vögel fand und ihr Bestand auf etwa 20-30 Tiere (wohlgemerkt der gesamten Art) geschätzt wurde, wurde eine Insel als Schutzreservat gewählt und diese vollständig von eingeführten Räubern gesäubert. Durch große Anstrengungen ist es inzwischen gelungen, dass der Bestand sich wieder etwas erholen konnte und es Stand 2014 insgesamt wieder 125 bekannte Kakapos gibt.

 

Obwohl Haushuhn und Haustaube selbst alles andere als vom Aussterben bedroht sind, so gibt es sie in verschiedensten Rassen und Farbschlägen. Viele, teils schon sehr alte Rassen, sind heute äußerst selten und wir Rasse- und Hobbygeflügelhalter leisten mit unserer Arbeit einen kleinen Beitrag zum Erhalt der genetischen Diversität der Arten.

So listet die TGRDEU ( Zentrale Dokumentation Tiergenetischer Ressourcen in Deutschland) den Bestand und einige Informationen zu vielen in Deutschland gezüchteten Hühner- und Zwerghühnerrassen sowie eine Bestandsentwicklung gefährdeter Rassen auf.

Obwohl viele Rassen nicht bedroht sind, so gibt es auch etliche, deren Bestand sehr gering ist.

 

Der Bestand des Augsburger Huhns betrug im Jahr 2000 lediglich 130 weibliche und 28 männliche Tiere. Trotz einer Erholung bis 2009 auf immerhin 289 weibliche und 64 männliche Individuen können verschiedene Faktoren den Bestand auch schnell wieder sinken lassen und so lag dieser 2013 mit 187 weiblichen und 43 männlichen Tieren zwar um fast 50 % höher als noch im Jahre 2000, brach aber im Vergleich zu 2009 um 1/3 ein.

Die Rasse befindet sich damit stets am Rande des Aussterbens, denn bei solch geringen Individuenzahlen kommt erschwerend hinzu, dass durch die bei Hühnern auch in der Natur übliche Haremshaltung nur ein geringer ständiger Hahnbestand vorhanden ist (~15-20% des Gesamtbestandes).

Selbst wenn eine Art oder Rasse über 1000 weibliche Individuen verfügt, so nimmt deren genetische Diversität auch dann noch sehr stark ab, wenn auf diese 1000 Hennen nur 1 Hahn kommt. Im Laufe der Generationen kann diese dann vielleicht erst einmal erhalten werden, nichtsdestotrotz nimmt die genetische Variabilität stark ab und damit z.B. die Anfälligkeit für einen Krankheitsausbruch zu. Genauer gesagt nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass bei einem Krankheitsausbruch der gesamte Bestand daran zugrunde geht, da mit sinkender genetischer Variabilität die Rasse genetisch homogener wird (wobei Rassen in sich bereits deutlich homogener sind als die Art in sich). Je genetisch ähnlicher sich die Tiere sind, umso ähnlicher kann auch die Reaktion auf eine Krankheit ausfallen.

Während so beispielsweise bei einem Krankheitsausbruch in einem Bestand einer nicht gefährdeten Rasse nur 20 % der Tiere verenden, könnten es bei einem mit sehr geringer genetischer Variabilität 100 % sein. Natürlich hängt dies auch z.B. von der Art der Krankheit und dem allgemeinen Gesundheitszustand des Bestandes ab.

Der Flaschenhalseffekt anschaulich erklärt. (https://trello.com/c/Opb9DEYm/109-gene-flow-genetic-drift-bottleneck-effect-and-founder-effect)
Der Flaschenhalseffekt anschaulich erklärt. (https://trello.com/c/Opb9DEYm/109-gene-flow-genetic-drift-bottleneck-effect-and-founder-effect)

Allgemein wird es als Flaschenhalseffekt bezeichnet, wenn eine Art durch ein Ereignis eine genetische Verarmung erfährt. Im Beispiel rechts gibt es ein gelbes und ein blaues Merkmal, wobei beide etwa zu 50% vorliegen. Durch ein Ereignis überleben nur wenige Individuen (z.B. durch eine Katastrophe) oder wenige Individuen einer Population gelangen z.B. auf eine Insel und gründen dort eine neue Poulation ("Gründereffekt"). In diesem Fall haben die meisten Überlebenden das blaue Merkmal, welches nun nach einer Bestandserholung deutlich überwiegt.

Während sich manche Hühnerrassen wie das Augburger Huhn zumindest vorerst auf einem niedrigen Niveau stabilisieren, zeigen andere Rassen einen deutlich schlechteren Trend. So nahm der Bestand der Mechelner von 2000 (67,263) bis 2013 (49,226) langsam, aber nahezu kontinuierlich ab.

Die etwas bekannteren Orpington stehen zwar nur unter Beobachtung und sind aktuell nicht stark gefährdet, doch halbierte sich ihr Bestand von fast 5.000 Tieren (2000) innerhalb von nur 13 Jahren oder anders gesagt, ihr Bestand nahm im Durchschnitt jedes Jahr um 200 Tiere ab.

Aber es gibt auch Lichtblicke wie die Vorwerkhühner, deren Bestand sich im gleichen Zeitraum fast umgekehrt verhielt (+75%).

 

Wir Geflügelzüchter haben demnach einen großen Einfluss auf den Erhalt der genetischen Variabilität, aber auch eine große Verantwortung. Durch verantwortungsvollen Einsatz können wir ebenso erhalten, wie auch durch Nachlässigkeit Variabilität verlieren. Einmal verloren, können wir die mitunter ganz speziellen Eigenschaften vieler Rassen, die zwar heute nicht genutzt werden, die wir aber möglicherweise in Zukunft nutzen wollen, nicht mehr wieder zurück bringen. Selbst wenn wir es irgendwann könnten, so ist es doch fahrlässig, sich darauf zu verlassen und den einfachsten Weg, den Erhalt der Arten und Rassen, zu vernachlässigen.