Sind Zweinutzungsrassen die Zukunft der Geflügelwirtschaft? (Teil 1)

Ein wichtiges und auch in den letzten Jahren immer wieder viel diskutiertes Thema der industriellen Geflügelhaltung ist der Umgang mit den männlichen Küken der Legehennenlinien und mögliche Alternativen wie die in-ovo-Geschlechtsbestimmung oder die Verwendung von Zweinutzungsrassen. Auf den ersten Blick würde vermutlich jeder zustimmen, dass das Töten der Eintagsküken nicht akzeptabel ist.

 

 

Darum gehen wir zunächst ganz zum Anfang, damit wir das Thema beziehungsweise die Problematik überhaupt nachvollziehen können. Wichtig sei noch die Anmerkung, dass diese Thematik sich vor allem auf die Geflügelwirtschaft bezieht und dies keine Diskussion über die heutige Geflügelwirtschaft an sich ist, da dieses Thema weit umfang- und detailreicher ist als die Debatte um Eintagsküken, Massentierhaltung und Tierwohl.

 

 

Es gibt grob gesagt zwei verschiedene Hühnerlinien, die für die Geflügelwirtschaft gezüchtet werden und verschiedene Sparten bedienen. Zum einen die Mastlinien, die vor allem auf der Rasse White Cornish basieren, die ein enormes Wachstum und eine starke Bemuskelung besitzt. Man verwendet hierbei nicht Begriffe wie Masthähnchen, da sowohl männliche als auch weibliche Hühner sich zur Mast eignen, gebräuchlich sind eher die Begriffe Masthuhn und Broiler (englisch to broil: braten, grillen). Außerdem können die Hochleistungsrassen das ihnen angebotene Futter sehr effizient verwerten. Dadurch erreichen sie in der 5. Lebenswoche ein Gewicht von etwa 1,7 kg (Hennen) bis 2 kg (Hähne) bei einer Futterverwertung von FCR = 1,8 - 1,9. FCR steht für feed conversion rate und beschreibt, wie viel kg Futter für den Zuwachs von 1 kg Gewicht benötigt wird. Allerdings legen die Mastlinien nur wenige Eier, worauf wir später noch einmal zurückkommen werden.

Vergleich des Aussehens von modernen Legehybridlinien und einem Masthuhn/ Broiler (Beck 2012).
Vergleich des Aussehens von modernen Legehybridlinien und einem Masthuhn/ Broiler (Beck 2012).

 

Zum anderen gibt es die Legelinien, die vor allem auf dem Weißen Leghorn (Weißleger) und dem Rhodeländer (Braunleger) basieren. Die Hennen der Legelinien schaffen nicht nur eine Legeleistung von rund 300 Eiern im Jahr, sie benötigen hierfür auch sehr wenig Futter, sind also sehr effizient im Umwandeln von Futter- in Eimasse. Wenig effizient dagegen sind sie in der Muskelbildung, vor allem die männlichen Tiere der Legelinien, um die sich die Problematik dreht, denn: sie sind vergleichsweise schlechte Futterverwerter und würden nach 70 Tagen gerade einmal rund 1,4 kg wiegen, während die männlichen Broiler es nach dieser Zeit auf rund 3,9 kg bringen würden. Zudem ist das Fleisch im Vergleich für den durchschnittlichen (verwöhnten) deutschen Gaumen wenig schmackhaft und der Brustanteil sehr gering, wobei die Brust der Teil ist, der meist verzehrt wird. Da demnach die Aufzucht wirtschaftlicher Selbstmord für einen Betrieb wäre, werden die männlichen Eintagsküken entweder geschreddert oder vergast und zum Großteil als Futter z.B. in Zoos, Falknereien oder Zoohandlungen verwertet. Möchte man diese Praktik verhindern, so gibt es im Prinzip drei Möglichkeiten.

 

 

 

Möglichkeit 1: Es werden keine Legehühner mehr industriell gehalten. Damit sind nicht nur konventionelle, sondern auch biologisch wirtschaftende Betriebe gemeint, denn deren Legehennen stammen aus denselben Zuchtbetrieben und sind dieselben Linien wie die für konventionelle, lediglich die Haltungsform ist anders. Und auch die biologischen Betriebe müssen wirtschaften und können es sich nicht leisten, dass (deutlich teurere) biologisch erzeugte Futter an die Legelinienhähne zu verfüttern.

 

 

Möglichkeit 2: Das Geschlecht der Küken wird nicht erst nach dem Schlupf, sondern bereits nach wenigen Tagen im Ei bestimmt (in-ovo-Geschlechtsbestimmung, von lat. in ovo – im Ei). Diese Methodik würde vermutlich von Zuchtbetrieben wie auch von Legehennenbetrieben gerne gesehen und genutzt werden. Die Zuchtbetriebe wüssten nach kurzer Zeit, aus welchen Eiern sich Hähne entwickeln würden und könnten diese aussortieren. Das spart Kosten, da 50 % weniger Platz in den Brutmaschinen benötigt wird beziehungsweise 50 % mehr Platz für neue Eier vorhanden wäre. Zudem entfiele die Geschlechtsbestimmung nach dem Schlupf (das sogenannte „sexen“) und natürlich das Töten und Verarbeiten der Eintagsküken, womit weitere Kosten eingespart würden. Auch die Betriebe würden dies wohl überwiegend positiv empfinden, da sie weiterhin die äußerst effizienten Linien verwenden könnten und sich nicht umstellen müssten. Die für die in-ovo-Geschlechtsbestimmung notwendigen Technologien stehen aber noch nicht in Serienreife zur Verfügung, wenn auch die Forschung bereits in einem fortgeschrittenen Stadium ist und ein möglicher industrieller Einsatz näher rückt.

 

 

Möglichkeit 3: Zweinutzungsrassen.
Diese werden wir dann in der nächsten Woche genauer unter die Lupe nehmen.